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Berufungsgericht lehnt ICNIRP-Gutachter als befangen ab

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In Gerichtsprozessen, die sich mit den gesundheitlichen Folgen von Mobilfunkstrahlung beschäftigen, kommt den Gutachtern eine besondere Rolle zu. Denn sie geben Einschätzungen ab, auf deren Grundlage die Gerichte entscheiden müssen. Die Meldung, dass ein italienisches Gericht einen Gutachter der International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) aus Befangenheitsgründen abgelehnt hat, lässt aufhorchen. Denn Gutachter und Mitarbeiter der ICNIRP nehmen entscheidenden Einfluss auf die Politik, etwa indem sie Empfehlungen für Grenzwerte aussprechen.

Zur Vorgeschichte: Der Prozess Romeo gegen INAIL

Bereits in erster Instanz hatte der Prozess Romeo gegen INAIL (dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung) über die Grenzen Italiens hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Denn der Fall gilt als Präzedenzfall, durch dessen Urteil erstmalig ein direkter Zusammenhang zwischen Handynutzung und einem erhöhten Krebsrisiko anerkannt wurde.

Roberto Romeo war über ein Jahrzehnt für das Mobilfunkunternehmen Telecom Italia tätig. Aus beruflichen Gründen telefonierte Romeo tagtäglich mehrere Stunden mit seinem Handy. Als Hörprobleme auftraten, ließ er sich medizinisch untersuchen. Ärzte der Onkologie diagnostizierten bei ihm ein Akustikusneurinom, das ist ein gutartiger Gehirntumor.

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Romeo musste sich einer Operation unterziehen. Da sein Hörvermögen als Folge dieses Eingriffs stark eingeschränkt war, sah sich Romeo gezwungen, bei der INAIL den Antrag auf Invalidenrente zu stellen. Doch der Träger der nationalen Unfallversicherung weigerte sich und zog vor Gericht. Bereits in erster Instanz gab das zuständige Gericht Romeo Recht und bestätigte außerdem den Zusammenhang zwischen seiner beruflich bedingten Handynutzung und dem Auftreten des Gehirntumors. Doch INAIL wollte dieses richtungsweisende Urteil nicht akzeptieren, sodass es zu einem Berufungsverfahren kam. Wie auch im erstinstanzlichen Prozess stützte INAIL seine Strategie im Berufungsverfahren ausschließlich auf Gutachten und Erkenntnisse der ICNIRP.

Die Turiner Richter attestierten den Gutachtern der ICNIRP nicht nur Befangenheit, sondern benannten auch klar und deutlich, dass diese Kommission als Instrument der Mobilfunklobby dient, um deren Interessen durchzusetzen. In der Begründung der Richter heißt es:

„Die vorgelegten Gutachten weisen eine direkte Verbindung zur ICNIRP auf. Mehrere Mitglieder der Kommission sind durch Beraterbeziehungen an die Vorgaben der Handy-Konzerne gebunden, was zu einem Interessenskonflikt führt, der der Wahrheitsfindung entgegenwirkt.“

Bedenkt man, welch großen Einfluss die ICNIRP ausübt, so könnte diese Einschätzung der Richter weitreichende Folgen haben. Zumindest ist zu hoffen.

Interessengesteuerter Lobbyismus?

Was ist das für eine Organisation? Was sind ihre Aufgaben ihre Ziele und wer finanziert sie? Die Suche nach Antworten führt zunächst in die Vergangenheit.

Die International Radiation Protection Association (IRPA) richtete 1974 in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Arbeitsgruppe ein, die nichtionisierende Strahlung erforschen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus untersuchen sollte. Im Mai 1992, beim achten Kongress der IRPA, schuf man schließlich die International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) als dauerhafte Einrichtung. Ihre Aufgabe ist es, Richtlinien für die Begrenzung der Exposition durch elektromagnetische Strahlung festzulegen und wirksame Schutzmaßnahmen gegen Elektrosmog zu empfehlen.

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Die ICNIRP fungiert als NGO, das bedeutet, dass ihre Empfehlungen jeglicher staatlicher Kontrolle entzogen sind. Offiziell ist die Kommission in Deutschland als eingetragener Verein tätig. Hauptsitz des Vereins: Oberschleißheim. Also genau in dem Ort, in dem auch das Bundesamtes für Strahlenschutz seine Zentrale hat. Dies lässt erahnen auf welchem Weg versucht wird, Einfluss zu nehmen: kurze Wege, informelle Treffen Hinterzimmer-Diplomatie – kurz Lobbyismus.

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Was zunächst noch nicht weiter bedenklich stimmt, denn Lobbyismus ist ein fester Bestandteil des politischen Entscheidungsprozesses, erweist sich auf den zweiten Blick als großes Problem: Wissenschaftler die schädliche Auswirkungen von nichtionisierender Strahlung auf die menschliche Gesundheit klar benennen und sich kritisch äußern, werden nicht an der Arbeit der ICNIRP beteiligt.

Schlimmer noch: Viele ICNIRP-Gutachter sind haupt- oder nebenberuflich für die Handyindustrie tätig. Ihre Unabhängigkeit muss unter diesen Umständen in Frage gestellt werden. Durch die Zusammenarbeit der ICNIRP mit der WHO lässt sich die Tragweite des Missstandes schon erahnen, denn nahezu jeder regional, national und auf EU-Ebene getroffene Beschluss zum Umgang mit nichtionisierender Strahlung richtet sich nach den Empfehlungen der WHO.

Entlarvende ICNIRP-Richtlinien zur Mobilfunkstrahlung

Was das im Detail bedeutet, verdeutlicht der letzte Bericht der ICNIRP zum Thema elektromagnetischer Strahlung bis 300 GHz aus dem Jahre 2018. Hier wurden zunächst die Kriterien festgelegt, welche Studienergebnisse in die Überlegungen miteinfließen sollen. Dass Elektrosmog Krebs auslösen kann, wurde als nicht gesichert angesehen, sodass sich die Richtlinien ausschließlich auf kurzfristige gesundheitliche Auswirkungen beziehen. Das Ergebnis der Untersuchungen stand damit schon in der Phase der Datenerfassung fest. Das genügt keiner objektiven wissenschaftlichen Analyse, bei denen Schlussfolgerungen aus Beobachtungen gezogen werden müssen.

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Kritische Studien, die einen Zusammenhang zwischen erhöhtem Krebsrisiko und nichtionisierender Strahlung belegten, wurde konsequent ignoriert oder deren Methode angezweifelt. So wurde der Szmigielski-Bericht von 1996, der bei Militärangehörigen, die einer erhöhten Dosis an nichtionisierender Strahlung ausgesetzt waren, ein erhöhtes Leukämie-Risiko dokumentiert, schlicht abgelehnt. Die Frage nach einem erhöhten Krebsrisiko, die besonders relevant ist, wird in Stellungnamen der INIRC konsequent verharmlost:

„Zwei Studien an schwangeren Frauen, die mittels hochfrequenter Strahlung einer Schmerztherapie unterzogen wurden, erbrachten keine Hinweise auf nachteilige Auswirkungen für den Fötus. Es gibt nur wenige verwertbare Untersuchungen über das Krebsrisiko durch Mobilfunkstrahlung, in der Regel fehlen ausreichende quantitative Datensätze.“

Diese Einschätzung ist umso beunruhigender, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Kommission maßgeblich an der Entwicklung der Grenzwerte für Mobilfunkgeräte beteiligt ist. Richtlinien, geeignete Schutzmaßnahmen und Abschirmprodukte die auf die Empfehlung des INIRC zurückzuführen sind, müssen deswegen kritisch gesehen werden.

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So orientieren sich die aktuellen Grenzwertempfehlungen wie der umstrittene SAR-Wert überwiegend an den Vorschlägen der ICNIRP. Das macht deutlich, wie weit der Einfluss dieser Kommission reicht.

Ein Leben ohne Strahlung ist schon jetzt möglich

Lobbyismus wurzelt tief und der Einfluss der INIRC wird leider auch nach dem Urteil der italienischen Richter nicht von heute auf morgen verschwinden. Vorerst muss man den Schutz vor nichtionisierender Strahlung selbst in Hand nehmen und zu geeigneten Maßnahmen greifen.

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Es empfiehlt sich, zunächst die Strahlenbelastung im persönlichen Umfeld von einem Fachmann messen zu lassen. Mit geeigneten Abschirmprodukten ist schon heute ein nahezu strahlungsfreies Leben möglich.


Quellen:

  • https://www.elektronikpraxis.vogel.de/26-millionen-euro-fuer-5g-bmvi-foerdert-drei-forschungsprojekte-a-879746/ (Forschungsgelder)
  • https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-03/pkw-maut-andreas-scheuer-datenvernichtung-sms (Mautaffäre)
  • https://www.heise.de/newsticker/meldung/Infrastruktur-fuer-autonomes-Fahren-Zahlt-der-Staat-am-Ende-fuer-den-5G-Ausbau-4681695.html (Parteipolitik der Grünen)
  • http://www.icnirp.org/cms/upload/publications/ICNIRPemfgdlger.pdf (Richtlinien von 2018 und Hintergründe zur Organsationsstruktur)
  • https://www.donaukurier.de/lokales/pfaffenhofen/Kommunalwahl-Pfaffenhofen-2020-Keine-Angst-vor-heissen-Eisen;art600,4516612 (Buchners Vortrag)
  • https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1516 (Urteilsbegründung)